Schlagwort:
Geschichte - Antifaschismus, Exilliteratur, Geschichte - Weltkrieg II, Judaica
Bemerkung:
Nicht jeder der Briefeschreiber tritt so grell und selbstgewiss auf. "Wo ich bin, ist die deutsche Kultur!", tönt Thomas Mann aus dem sonnigen Exil in Kalifornien. Seine künstlerische Imponierbiografie schien durch "die Unbilden in der Fremde" keinerlei nennenswerten Schaden genommen zu haben.Beredte und beklemmende Zeugnisse aus der Feder von Lion Feuchtwanger, Anna Seghers, George Grosz und vieler anderer. Ebenso beredt, das erbärmliche Schweigen auf Briefe an die Freunde in der Heimat. Der Schriftsteller Hans Sahl, von Erwin Piscator auf seine Projekte angesprochen, erweist immerhin Galgenhumor. "Geschrieben habe ich nichts mehr. Meine Manuskripte werden überall begeistert abgelehnt." Wenigstens teilweise konnte er die Misere kompensieren, hatte er doch "höchst linienuntreu sein kämpferisches Klassenbewusstsein in den Armen einer Frau abreagiert". Hervorragende Idee, hervorragendes Buch! --Ravi Unger.Flüchtlinge wie Alfred Kerr kämpften derweil mit Unbilden ganz anderer Art. Der Grandseigneur der deutschen Theaterkritik bittet aus seinem italienischen Zufluchtsort das Berliner Tageblatt -- nicht für sich, sondern seiner beiden kleinen Kinder wegen -- flehentlich um Überweisung seines noch ausstehenden Gehaltes. Die Zeitung, der Kerr immerhin seit 1919 diente, bleibt stumm. Kerrs Bittbrief trägt das Datum des 25. März 1933. Zwei Monate zuvor hatte die Machtergreifung Hitlers stattgefunden. So zügig reagierte deutscher Untertanengeist damals.Die Briefprosa aus den Jahren 1933-1945 lässt sich als zeitgeschichtliches Dokument lesen, wichtiger aber, als Zeugnis individueller Befindlichkeiten eröffnet sie weit größere Wirklichkeitsdimensionen. Schon Aristoteles stellte das Verdienst des Dichters dem des Geschichtsschreibers voran, wenn es um Wiedergabe von Wirklichkeit ging. Und die Wirklichkeit dieser oft herzzerreißenden Schilderungen von Entwurzelten, die sich in Briefen aneinander klammerten, springt einen förmlich an. Dieses Buch befindet sich in unserem Aussenlager; sollten Sie dieses im Laden abholen wollen, bitten wir Sie um vorgängige Nachricht.