Bemerkung:
(= Die Andere Bibliothek Band 278). Aus dem Engl. von Isabell Lorenz.- Zum Sterben schön Seit den kulturellen Umwälzungen der Reformationsjahre war sie zu hören - nur von denen nicht, deren tränenreiches Gedenken ihr schmerzlichschönes Spiel galt, den Toten: die Beerdigungs-Violine (auch 'Totengeige') ersetzte die römisch-katholischen Bestattungsrituale im protestantischen und anglikanischen Europa. Doch die Geschichte der melancholischen, zutiefst bewegenden Begräbnis-Kompositionen geriet nach der Gegenreformation in Vergessenheit, und die Mitglieder der 1586 gegründeten britischen Gilde der Totengeiger verzogen sich vor mehr als 170 Jahren in den Untergrund einer Geheimgesellschaft. In Deutschland, wo es bis zum ersten Weltkrieg von mehreren Künstlern mit besonderer Inbrunst ausgeübt wurde, ist das schaurig-schöne musikalische Genre völlig ausgestorben. Der englische Musikologe Rohan Kriwaczek - selbst praktizierender Geigenspieler, Flötist und Klezmer-Spezialist - hat einen zufälligen Zugang zu dem Archiv der Gilde gefunden und eine schier unglaubliche, spannende und fabelhaft gut geschriebene Chronik dieser zu Unrecht missachteten Musikrichtung und ihrer gedemütigten Künstler geschrieben. Das Buch, 2006 in England und in den USA erschienen, erregte ungemeines Aufsehen: Hatte sich der Autor einen komplizierten Scherz erlaubt, ganz in der Tradition britischer Literatur-Mystifikationen, oder hat er einen historiographischen Coup gelandet, den andere Musik-Historiker ihm neiden' So oder so - der empfindsame, mitfühlende und mithörende Leser dieses unwahrscheinlichen, detailverliebten Buches wird die Wahrheit im eigenen Herzen entdecken.Im souveränen Spiel mit den Tonfällen musikologischer Beglaubigung entdeckt Kriwaczek Musikgeschichte als etwas, das sie auch immer schon war und ist: eine Projektionsfläche von Vergangenheitssehnsüchten. In seinen besten Momenten streift dieses skurrileRohan Kriwaczek ist der Vorsitzende der englischen Gilde der Begräbnisviolinisten. Bis heute hat er über hundert verschiedene Melodien für Beerdigungen geschrieben, erhaben, temperamentvoll, melancholisch oder getragen – je nach Charakter des Toten. Er selbst ist auf über fünfzig Begräbnissen in ganz Südostengland aufgetreten. Rohan Kriwaczek lebt mit seiner Violine in Brighton, England.