Untertitel / Graf. Technik:
Schweizerischer Antisemitismus, jüdische Abwehr und internationale Migrations- und Flüchtlingspolitik
Bemerkung:
EA. Das flüchtlingspolitische Kapitel der Schweizer Geschichte im Zweiten Weltkrieg ist von der Geschichtsforschung bereits aufgehellt worden. Die Studie von Picard bringt eine andere Dimension in den Blick: den Zusammenhang von schweizerischer Judenpolitik und internationaler Migrationspolitik.Das Verhältnis der Schweiz zu ihren eigenen wie zu den fremden Juden wird anhand eines Drei-Kreise-Modells erörtert: im äussersten Kreis die internationale Szene, vorab das Dritte Reich, das faschistische Italien und die westlichen Alliierten; in einem mittleren Kreis die Schweiz, geprägt von judenfeindlichen Haltungen und einer aussenpolitischen Strategie der Anpassung und Beschwichtigung; und in einem inneren Kreis die jüdische Minderheit, die diesem doppelten Druck standzuhalten versucht und wiederum ihre eigenen Flüchtlinge zu versorgen und zu disziplinieren gezwungen ist.Der erste Teil der Studie kreist um die Mentalitätsgeschichte des Antisemitismus, der von der «Judenfrage» des 19. Jahrhunderts zu den faschistischen Fronten und der behördlichen Politik der Vorkriegs- und Kriegszeit verfolgt wird. Die bundesrätliche Politik der Entsorgung der Affäre um den J-Stempel in den fünfziger Jahren wird zum Anlass genommen, neue Aspekte und Fragen aufzudecken, unter anderem die eidgenössische Haltung gegenüber dem Schutz von Schweizer Juden im Ausland, die quasi zwangsweise Finanzierung der schweizerischen Flüchtlingspolitik durch die Juden selbst oder die Abweisungen an der Grenze von jüdischen Schweizerinnen, die mit einem Ausländer verheiratet waren.Der zweite Teil ist der innerjüdischen Geschichte gewidmet. Die Strategie der jüdischen Gemeinden, der antisemitischen Stimmung durch einen Rückzug in die Unauffälligkeit zu begegnen, weckte die innerjüdische Opposition, die mehr kämpferisch und auch ideologisch vorgehen wollte. Zum Verständnis dieser vielfältigen Strömungen innerhalb des schweizerischen Judentums werden die zahlreichen lokalen und internationalen jüdischen Organisationen analysiert.Besonderes Interesse finden folgende Fragen: Wie agierten und reagierten die jüdischen Verbände gegenüber der schweizerischen Flüchtlingspolitik? Was geschah beim Bekanntwerden des Holocaust? Welche Rettungsaktivitäten gab es, und wo war die Grauzone zwischen legalem und illegalem Handeln?