Untertitel / Graf. Technik:
Signatur Ms. Memb. I 90 in der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha. (Faksimile und Kommentarband, 2 Bde.)
Bemerkung:
VERGRIFFEN! Exempl. 23 von 980 arab. Num. Exemplaren. Die älteste deutschsprachige Weltchronik in Prosa.Der Bogen der Geschichte, präsentiert in diesem prachtvollen Codex, spannt sich von der Erschaffung der Welt, die der Chronist übrigens auf den 18. März datiert, und der Erschaffung Adams und Evas über die Geschehnisse des Alten und Neuen Testamentes, die wechselvolle Geschichte der Antike und die Stürme der Völkerwanderung bis zu Friedrich II., dem letzten Stauferkaiser.Am Anfang steht der Brudermord Kains. Und zu Beginn der römischen Geschichte tötet auch Romulus seinen Bruder. Mit der Geburt Christi ist zwar eine neue Zeit des Heils angebrochen, doch nüchtern protokolliert das Buch der Welt den Weg der Menschheit, der durch ein Meer von Blut und Tränen führt. Ein katastrophaler Tiefpunkt ist erreicht mit dem Zerwürfnis zwischen Papst und Kaiser im Investiturstreit, als eine ganze Welt aus den Fugen gerät.Das besondere Kennzeichen dieser herrlichen Bilderchronik ist das präzise Zusammenspiel von Text und Bildgestaltung. Die Illustrationen stehen genau neben den dazupassenden Zeilen. Durch die Auswahl der Themen werden die entscheidenden Erzählmomente der Handlung festgehalten. Auf diese Weise entsteht ein lebendiger Bildkommentar. Er beleuchtet den Text und faßt ihn zugleich zusammen.Dank der klug ausgewählten Bildmotive kann sich der Betrachter mit einem Blick den gesamten Erzählverlauf vergegenwärtigen. Die Miniaturen sind hier also nicht nur zur Ausschmückung gedacht; sie stellen zugleich unterhaltsame Gedächtnisstützen dar.Bei der Herstellung dieses Geschichtsbuches müssen sorgfältige Schreiber und einfallsreiche Buchmaler Hand in Hand gearbeitet haben.Die ganze Welt in einem Buch Schon immer träumte man von einer "Zeitmaschine", die den Besuch aller welthistorischen Höhepunkte ermöglichen könnte etwa einen Besuch bei Alexander dem Großen oder Friedrich Barbarossa. Schon in der Antike fand man einen Weg: Die Gattung der Weltchronik war erfunden. So konnte man die gesamte Geschichte "mit nach Hause" nehmen.In frühchristlicher Zeit sahen die Schriftsteller die Weltgeschichte als planvolle und zielgerichtete Entwicklung, bei der immer die Hand Gottes im Spiel war. Das Grundmuster für diese Geschichtsauffassung war in der Bibel vorgegeben.Im Geschichtsdenken des mittelalterlichen Europa tat sich eine ungeahnte Fernsicht mit einem gewaltigen Panorama großer Reiche auf: Die großen Autoren des Frühmittelalters wie etwa Eusebius, Hieronymus, Augustinus und Orosius sorgten dafür. Aus ihren Werken erwuchs ein über tausend Jahre lang gültiges Deutungssystem. Die großen Universalchroniken in Latein entstanden auf dieser Basis. Doch die Laien hatten zu dieser gemeineuropäischen Vatersprache von Kirche und Wissenschaft keinen Zugang.Im 13. Jahrhundert war es endlich soweit: Im niederdeutschen Sprachraum, der schon das Rechtsbuch des Eike von Repgow, den Sachsenspiegel, hervorgebracht hatte, entstand eines der erstaunlichsten Werke der europäischen Buchkunst: die Sächsische Weltchronik. Der Gothaer Codex ist die älteste und prachtvollste Überlieferung der Sächsischen Weltchronik. Bis zum 17. Jahrhundert wurde die Handschrift in Wittenberg aufbewahrt, bevor sie nach Gotha gelangte. Bewegt wie die darin geschilderte Geschichte war auch das Schicksal der Handschrift in unserem Jahrhundert. Als Kriegsbeute von der Sowjetarmee nach St. Petersburg verschleppt, kehrte der Codex erst nach längerer Zeit an seinen heutigen Standort zurück.Der Kommentarband Zum ersten Mal wird die Gothaer Handschrift hier in ihrer ganzen Bedeutung untersucht. Die beteiligten Experten: Prof. Dr. Hubert Herkommer, Professor für deutsche Literatur des Mittelalters, Universität Bern; Dr. Renate Kroos, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München; Prof. Dr. Rudolf Große, Professor für Deutsche Philologie, Universität Leipzig; Dr. Karin Schneider, Handschriftensammlung der Bayerischen Staatsbibliothek München; Dr. Maria Mitscherling, Leiterin der Handschriftenabteilung der Forschungs- und Landesbibliothek zu Gotha.