Untertitel / Graf. Technik:
Bibliothek der Rijksuniversiteit Leiden, Ms. Voss. Lat. Q. 79. (2 Bde.)
Bemerkung:
Vergriffen! Nr. 14 von 980 Exemplaren. Eine Sternstunde der Buchmalerei. Ein Leitstern des abendländischen Weltbildes Unter den astronomischen Handschriften aus dem Umfeld der karolingischen Renaissance ist die Aratea aus der Leidener Bibliothek die berühmteste.Im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts, zur Zeit Ludwigs des Frommen (814 840), wurde ein uns unbekannter Künstler damit beauftragt, nach einem spätantiken Vorbild eine neue Bilderhandschrift zu gestalten. Als Text dienten dem Schreiber Auszüge aus den "Phainomena". Dem hohen Anspruch der Handschrift gemäß wurden die Rückseiten der Bilder unbeschrieben gelassen. Die fein ausgewogene Schrift, die sogenannte "Capitalis Rustica", ist auch für den heutigen Betrachter ausgesprochen gut lesbar.Da sie aber im 13. Jahrhundert kaum gelesen werden konnte, hat zu dieser Zeit ein Schreiber den Text nochmals in gotischer Schrift kopiert ein Beweis für die dauerhafte Beliebtheit, die die Aratea Jahrhunderte hindurch genossen hat.So alt wie die Menschheit, so alt ist das Rätsel um die Geheimnisse des nächtlichen Sternenhimmels. Die abendländische Kultur verdankt ihre Vorstellung eines geordneten Himmels den Griechen, die ihrerseits die Sternbilder in ihrem Kreislauf nach orientalischen Vorbildern benannten.Die Griechen erkannten ihre Mythologien in den Sternen wieder, die schon der Dichtervater der abendländischen Kultur, Homer, besang. Der griechische Dichter Aratos von Soloi (um 310 bis 245 v. Chr.) schuf dann die berühmten "Phainomena", ein Lehrgedicht über Himmelserscheinungen und Wetterzeichen. Dieses Werk bezeichnete Kallimachos als das köstlichste Epos der Welt.Die Römer übernahmen das Werk in ihren Kulturkreis. Es wurde von Claudius Caesar Germanicus ins Lateinische übersetzt. Von dort aus fand es Verbreitung bis ins christliche Mittelalter der Zeit Karls des Großen und war bis zur Ausbreitung der arabischen Astronomie grundlegend für das abendländische Weltbild des nächtlichen Himmels.Gemäß kunsthistorischen und paläographischen Forschungen hat die prachtvolle Handschrift ihren Ursprung im späteren Lothringen.Im frühen Mittelalter waren noch die Erhaltung der Wissenschaften und des klassischen Erbes der Antike die Hauptaufgaben der gelehrten Welt. Die mutmaßliche Auftraggeberin war Kaiserin Judith, die zweite Frau Kaiser Ludwigs des Frommen, eine große Förderin der Künste und Wissenschaften. Bekannt ist sie vor allem durch ihren Kampf für die Rechte ihres Sohnes, Karls des Kahlen.Später befand sich die Handschrift vermutlich in der nordfranzösischen Abtei Saint-Bertin. Im 16. Jahrhundert kam die Handschrift in den Besitz des Genter Patriziers und Humanisten Jakob Susius, bevor sie von Hugo Grotius wiederentdeckt wurde.Später gehörte die Handschrift der Königin Christina von Schweden. Diese überließ die Aratea vor ihrer Abreise nach Rom ihrem Bibliothekar Isaac Vossius. 1690 erwarb die Universität Leiden die Handschrift.Sternstunden der Buchmalerei Die Handschrift ist mit 39 ganzseitigen Bildern illustriert. Diese sind nach antiker Tradition fast quadratisch angelegt.Als Hintergrund wählte der außergewöhnlich begabte Künstler, vermutlich vom nächtlichen Himmel inspiriert, ein geheimnisvolles Blau, von einem feuerroten Band eingerahmt. Die Sterne selbst sind mit Gold aufgelegt, so daß sie, abhängig vom Lichteinfall, funkeln wie ihre Vorlagen am realen Firmament in schönen, wolkenlosen Nächten.Erlesen sind die Darstellungen der Sternbilder, traditionsgemäß versinnbildlicht als mythologische Gestalten und Figuren, unter denen die antike Welt die Sternzeichen sah, die ihre gelehrten Astronomen am Himmel beobachtet hatten. Seit den Jahrhunderten der Frühzeit hatten sie Tageszeiten und Jahreswechsel angezeigt; Seefahrern und Landleuten waren sie Wegweiser und Wetterzeichen gewesen.Gerade die lebenden Wesen strahlen in der Aratea eine Kraft und Plastizität aus, die dem Einfluß der Antike zu verdanken ist. Geradezu revolutionär zu jener Zeit war das Konzept des Künstlers, Text und Bild zu trennen und jedes Bild separat auf einer ganzen Seite groß wiederzugeben.Erst Jahrhunderte später werden die besten Maler wieder die Kunst entdecken, eine Figur mit so wenigen Mitteln zu beleben, wie das der unbekannt gebliebene Buchmaler fertiggebracht hat.Der Kommentarband mit über 200 Seiten wurde von international anerkannten Wissenschaftlern verfaßt, die darin das Ergebnis jahrelanger Forschungen so präsentieren, daß auch dem interessierten Laien der Zugang zu dieser geheimnisvollen Prunkhandschrift erschlossen wird. Die Experten: Dr. Pieter F. J. Obbema, Conservator Westerse Handschriften, Universiteitsbibliotheek Leiden, Prof. Dr. Florentine Mütherich, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München, Prof. Bruce Eastwood, Professor für Wissenschaftsgeschichte, University of Kentucky, Lexington, Prof. Dr. Bernhard Bischoff, Professor der Universität München und Thomas A.-P. Klein.