Bemerkung:
(= Burgenländische Bibliothek, Bd. 1). Ausgewählt von Otto Breicha und Andreas Okopenko. Mit Anmerkungen von Hans Weigel, Günter Unger und Andreas Okopenko. - Hertha Kräftner (1928-1951), österreichische Schriftstellerin, begann im Jahr 1949 erstmals, Prosatexte zu schreiben. Im Sommer 1949 reiste sie über eine Jugendorganisation, die Arbeit und Ferien anbot, für einige Wochen nach Norwegen. Ihr Reisetagebuch lässt erkennen, wie einsam und verloren sie sich fühlte, wie sehr sie zwischen Resignation und Hoffnung schwankte. Sie begann eine Affäre mit einem Dänen, die jedoch ein rasches Ende fand. Dies war wieder ein Akt der Entfremdung von ihrem Freund, Otto Hirss, der jedoch weiterhin zu ihr hielt, obgleich es ihm schwer fiel, mit Kräftners immer stärker werdenden Depressionen und ihren Selbstmordgedanken umzugehen. Nach ihrer Rückkehr befreundete sich Kräftner mit dem Begründer der Logotherapie Viktor E. Frankl, dessen Vorlesungen sie besuchte. Auf sein Anraten trat sie 1950 mit dem literarischen Zirkel um Hans Weigel im Cafe Raimund in Verbindung, sprach und korrespondierte mit Schriftstellern wie Rene Altmann, H.C. Artmann, Gerhard Fritsch, Friederike Mayröcker, Jeannie Ebner und Andreas Okopenko, die in der Zeitschrift Neue Wege publizierten. Auch Kräftners Werke erschienen dort und in anderen Blättern, z.B. «Stimmen der Gegenwart», wurden im Wiener Volksbildungshaus Urania sowie im Rundfunk vorgestellt. Trotz dieser ersten schriftstellerischen Erfolge fühlte sich Kräftner unverändert einsam und traurig. Im August 1950 flüchtete sie nach Paris zu Marguerite Rebois, die sie in Norwegen kennengelernt hatte. Es gelang ihr, sich ein wenig zu zerstreuen, so dass sie dort eine nach eigenen Aussagen sehr glückliche Zeit verbrachte. Unter diesem Eindruck entstand das «Pariser Tagebuch», das von der Zeitschrift «Neue Wege» 1951 mit dem Prosapreis gewürdigt wurde. Außerdem begann sie, auf Anregung Frankls an ihren «Notizen zu einem Roman in Ich-Form» zu arbeiten. Dieser Roman blieb jedoch Fragment. Auch ihre 1949 begonnene Dissertation zum Thema «Die Stilprinzipien des Surrealismus, nachgewiesen an Franz Kafka» schloss sie nicht ab. Die im Jahre 1951 verfassten Texte neigten sich immer stärker hin zu Resignation und Tod. Wiederholt erwog Kräftner, sich das Leben zu nehmen. Zugleich spielte sie mit dem Gedanken, ihrem ehemaligen Geliebten Harry Redl, der einige Monate zuvor nach Kanada ausgewandert war, dorthin zu folgen und mit ihm ein neues Leben zu beginnen. Doch dazu kam es nicht mehr. Auch die kurze, aber intensive Liebesbeziehung im Sommer zum Photographen Wolfgang Kudrnofsky, mit dem sie Moped fuhr, Kafka las und einen Kriminalroman entwarf, vermochten ihr keinen neuen Lebensmut mehr zu spenden. In der Nacht vom 12. auf den 13. November 1951 nahm sich die "Selbstmörderin auf Urlaub", wie Hans Weigel sie nannte, mit einer Überdosis Veronal das Leben. Sie wurde 23 Jahre alt.