Untertitel / Graf. Technik:
6. September 1839, Sieg der gerechten Sache oder Septemberschande?
Bemerkung:
Weiterer Herausgeber war: Paul-Kläui-Bibliothek Uster. - Die konservative Landbevölkerung begrüsste die radikal-liberalen Neuerungen zwar einerseits (Abschaffung der feudalen Grundlasten, Gleichberechtigung Stadt-Land) andererseits sah sie sich von der beschleunigten Modernisierung regelrecht überrollt. Dabei sind mehrere Bereiche auszumachen, in denen der liberalen Erneuerung starker Widerstand entgegenschlug: Die Mechanisierung der Textilindustrie forderte die Textilarbeiter heraus, die von der Regierung ein Verbot der mechanischen Web- und Spinnmaschinen erwarteten. Der Widerstand der Handweber und -spinner äusserte sich bereits 1832 im sog. «Brand von Uster», bei dem die mit modernen Maschinen ausgestattete Fabrik Corrodi & Pfister von einer aufgebrachten Menge niedergebrannt wurde. Andererseits störten sich konservative Kreise an der Schulreform, die mit dem Ziel einer Säkularisierung das Schulwesen aus der Hand der Landpfarrer nahmen. Überall im Kanton traten nach 1830 Lehrer in der Volksschule an die Stelle der Pfarrer, die im Lehrerseminar ausgebildet worden waren. Es wurde deshalb befürchtet, dass Sittlichkeit und die Religion der Schüler stark gefährdet wäre. Die konservative Opposition organisierte sich im ganzen Kanton in straff geführten Glaubenskomitees, so dass sie 1839 im so genannten Züriputsch handstreichartig die Macht im Kanton an sich reissen konnte.Ein provisorischer Staatsrat übernahm nach dem Putsch die Amtsgeschäfte. Ihm gehörten führende Mitglieder der konservativen Opposition an wie Hans Jakob Hürlimann-Landis. Eine drohende Intervention durch andere radikal-liberalen Kantone oder durch die Tagsatzung sollte durch eine Garantie der Verfassung von 1831 abgewendet werden. Der Staatsrat liess am 9. September 1839 in einer tumultartigen Sitzung verfassungswidrig die Selbstauflösung des Grossen Rates des Kantons Zürich beschliessen und setzte Neuwahlen an. Innerhalb von zehn Tagen trat ein neuer, konservativ geprägter Grosse Rat zusammen, der gemäss dem Wahlaufruf nicht aus «wissenschaftlich gebildeten» sondern aus «gottesfürchtigen Männern» bestehen sollte. Der Rat besetzte – ebenfalls verfassungswidrig – sämtliche Behörden mit reaktionären Köpfen. Das sog. «Septemberregime» währte jedoch nicht lange. Bereits 1845 übernahmen die Liberalen wieder die Macht im Kanton.