Subtitles / Reproduction:
Bibliothèque nationale, Paris, Nouv.acq.lat. 3093. (Faksimile u. Kommentarbd., 2 Bde.)
Book Details / Size:
4° (28 x 20 cm), VI, 239 Bl., mit Pinsel- und Blattgold versehene Miniaturen; Kommentarbd.: 254 S., einige Abb.
Description:
Nr. 708 von 980 Exemplaren. Glanzvolle Bilderhandschrift des Herzogs von Berry . Eines der prachtvollsten Stundenbücher Die Bilderhandschrift "Très Belles Heures" markiert einen Höhepunkt mittelalterlicher Buchmalerei, geschaffen zu Beginn des 15. Jahrhunderts von den begnadetsten Künstlern jener Zeit. Auf 25 Miniaturseiten entfaltet sich die ganze Pracht der Buchmalerei, für die diese Handschrift berühmt ist. Nicht umsonst ist sie im Inventar des Herzogs von Berry als "sehr schönes Stundenbuch Unserer Lieben Frau in kunstvollen Lettern" beschrieben.Sowohl Text als auch Bild werden mit demselben erstaunlichen Aufwand ausgeschmückt. Verschwenderisches Gold und Farben von unerhörter Leuchtkraft werden für Szenen verwendet, die in kräftigen Bildern vom spätmittelalterlichen religiösen, aber auch profanen Leben erzählen.Jede der Miniaturseiten besteht aus drei Elementen. Einmal ist da die große, tafelbildartige Miniatur, dann eine prachtvolle Initiale und schließlich eine figürliche Szene am unteren Blattrand. Insgesamt entstand so ein geschlossener Eindruck von höchster gestalterischer Qualität.Die Très Belles Heures de Notre-Dame bildeten in ihrer ursprünglichen Gestalt eine der monumentalsten Handschriftenkonzeptionen der Kunstgeschichte. Aufgrund ihrer Schönheit und luxuriösen, aufwendigen Ausstattung war das Werk schon im Mittelalter als Kunst- und Sammelobjekt geschätzt. Im Verlauf ihrer wechselvollen Geschichte wurde die Handschrift nämlich in drei Teile aufgeteilt.1412 schenkte der Herzog von Berry die gewaltige Bilderhandschrift seinem Schatzmeister Robinet d'Estampes. Dieser behielt das eigentliche Stundenbuch für sich. Die beiden anderen Teile des Werkes spezielle Gebete an einzelne Heilige und ein Meßbuch gingen an das Haus von Bayern-Holland.Später gelangte das Meßbuch nach Mailand, die Gebete kamen nach Turin. Die Turiner Gebete sind heute leider verloren: Sie fielen dem Brand der Bibliothek von 1904 zum Opfer, mit Ausnahme von vier Blättern, die sich heute im Musée du Louvre in Paris befinden (siehe Eintrag "Die Blätter im Louvre").Das eigentliche Stundenbuch, das Robinet behalten hatte, blieb bis ins 18. Jahrhundert in Familienbesitz. Im 19. Jahrhundert wurde es von Baron Alphonse de Rothschild erworben, dessen Nachkommen die Handschrift 1956 der Bibliothèque nationale in Paris überließen.Nach langwierigen wissenschaftlichen Untersuchungen durch den Verfasser des Kommentarbandes konnte eine bisher unbekannte, erstaunliche Tatsache festgestellt werden: Offensichtlich waren alle an der Handschrift beteiligten Maler eigentlich Tafelmaler.Jede einzelne Miniatur ist ein Kunstwerk für sich, eine Facette der reichhaltigen Fülle der Buchmalerei, die sich nicht auf die Traditionen der Metropole Paris beschränkte, sondern auch Maler aus Flandern miteinbezog.Diese Zusammenarbeit verschiedener Meister macht die Handschrift besonders reizvoll. Beteiligt waren der Meister des Paraments mit seiner monumentalen Kunst, der "Heilig-Geist"-Meister mit seinen heftig bewegten Bildern und schließlich der Meister Johannes des Täufers mit seinen weichen Farbtönen. Dazu kommt noch die herausragende Kunst der Brüder Limburg, denen zwei Miniaturseiten zugeschrieben werden. Die Künstler waren frei von vorgegebenen Gestaltungsprinzipien mittelalterlicher Buchmalerwerkstätten und verfuhren weitgehend nach eigenen Vorstellungen. Aber dieses außerordentliche Werk der Pariser Buchmalerei um 1400 ist noch mehr: Es erwies sich als das wichtigste Zeugnis der weitgehend verlorengegangenen französischen Tafelmalerei dieser Epoche.Die einzigartige Gestaltung von Rahmung und Architektur wurde von den Malern dieses kunstgeschichtlich so wichtigen Werkes vermutlich zum ersten und zum letzten Mal ausprobiert. In einer ergänzenden Arbeit trugen nach 1412 auch die berühmten Brüder Limburg zur Perfektion dieser Handschrift bei: Sie gestalteten die letzten beiden Bilder der Handschrift in ihrem bekannten, überragenden Stil.Der prächtige Bucheinband in rotem Leder ist reich mit goldener Zierprägung und einem Wappen geschmückt; Steh- und Innenkanten sind vergoldet. In aufwendiger Handarbeit wurden die Blätter auf sechs echte Bünde geheftet.Zur Faksimile-Edition gehört als Schlüssel zum Verständnis ein wissenschaftlicher Kommentarband, in Ausstattung und Format dem Faksimile angepaßt, verfaßt von Eberhard König, Professor an der Freien Universität Berlin. Hier werden die Miniaturseiten ausführlich und verständlich kommentiert und die Schicksale dieses Stundenbuches, seiner Künstler und seines Auftraggebers beschrieben.