Title:
Historien. Von des Ehrwirdigen inn Gott seligen thewren Manns Gottes, Doctoris Martini Luthers, anfang , Lehr, leben unnd sterben. Alles ordenlich der Jahrzal nach, wie sich alle sachen zu jeder zeyt haben zugetragen…
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Die erste Biographie Martin Luthers.Johannes Mutheisus (1504-1565) studierte nach dem Besuch der Nürnberger Lateinschule 1523/24 zunächst in Ingolstadt. Als Erzieher auf Schloß Odelzhausen an der Glonn 1526/27 las er Luthers „Sermon von den guten Werken“ und schloß sich bald darauf der Reformation an. Nach einem Theologiestudium in Wittenberg (1529/30) wurde er Lehrer in Altenburg. 1532 zum Rektor der Joachimsthaler Lateinschule berufen, baute er die dortige Schulbibliothek auf; sie ist nahezu unversehrt erhalten geblieben. 1540-42 studierte er nochmals in Wittenberg, vornehmlich bei Luther und Melanchthon („Analecta Lutherana et Melanthonia“, hrsg. v. G. Loesche, 1892). Als häufiger Gast im Haus Luthers schrieb er zahlreiche Tischreden nach (separat hrsg. v. E. Kroker 1903 sowie in der Weimarer Lutherausg., Abt. „Tischreden“ IV, 1916, V, 1919). Nach seiner Ordination durch Luther im März 1542 folgte M. einem erneuten Ruf nach Joachimsthal, nunmehr in das Predigtamt, und wurde 1545 Pfarrer der jungen Bergbaugemeinde, die er in konfessionellen Wirren (namentlich mit Täufern), wirtschaftlichen Krisen (Rückgang der Silberausbeuten) und politischen Konfrontationen als Seelsorger bis zu seinem Tod 1565 vorbildlich betreute. Als das prot. Joachimsthal im Schmalkaldischen Krieg 1546 mit den Gegnern der Krone Böhmen sympathisierte, mußte M. in einer Audienz vor Kg. Ferdinand I. die Interessen der Bergstadt verteidigen. Zur inneren Konsolidierung der oft undisziplinierten und spannungsgeladenen Gemeinde trug er mit ausdrucksvollen Predigten bei. Davon sind etwa 1500 zum Druck gelangt; namentlich seine Hochzeits- und Leichenpredigten dienten lange Zeit als Muster prot. Kanzelberedsamkeit. Mit Vorliebe schuf M. Predigtzyklen, entweder biblischen Texten folgend (so die Korintherhomilien 1590, Sirach 1586, Leben Jesu 1568) oder mit aktuellen Bezügen. Zu letzteren gehören die zuerst unter dem Titel „Bergpostilla oder Sarepta“ 1562 gedruckten 16 Bergbaupredigten, die beachtliche Aufschlüsse über Technik, Kultur und Sprache des Montanwesens liefern. Die fruchtbare Seelsorgetätigkeit erhielt durch freundschaftlichen Austausch mit dem Joachimsthaler Kantor und Liederdichter Nicolaus Herman wertvolle Anregungen. M. festigte seine Gemeinde, indem er ihr auf Anregung Melanchthons 1551 eine Kirchen-, Schul- und Spitalordnung schuf (Abdruck bei G. Loesche, I, S. 261-330). Seine rege Anteilnahme am Joachimsthaler Bürgerleben und Bergwesen schlug sich in der von ihm exakt geführten Chronik nieder. Er stand in regem Kontakt mit vielen namhaften Theologen (Melanchthon, Caspar Cruciger), Naturwissenschaftlern ( Georg Agricola, Valerius Cordus), Humanisten ( Georg Spalatin, Joachim Camerarius) und Poeten ( Eobanus Hessus, Johann Major). Joachimsthal verdankte ihm den Ruf eines angesehenen Kulturzentrums.Als bleibendes Vermächtnis M.s gelten seine 1566 veröffentlichten „Luther-Historien“, die bis heute nahezu 50 Auflagen erlebten. Dieses erste, aus 17 zwischen 1562 und 1565 gehaltenen Predigten hervorgegangene, prot. Lebensbild des Reformators diente den Lutherbiographen und Reformationshistorikern als Quelle ersten Ranges.Als politisch wirkender Seelsorger hat sich M. um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen in Böhmen im Geiste des Evangeliums bemüht. Hingegen blieben seine Vermittlungsversuche zwischen den reformatorischen Gliedkirchen in Böhmen im Ansatz stecken. Die für die Entwicklung des Protestantismus in Böhmen verhängnisvollen Angriffe M.s gegen alle Regungen des linken Flügels der Reformation müssen in Verbindung mit den sozialen und religiösen Spannungen gesehen werden, denen er in Joachimsthal begegnete. Angesichts seiner Verbundenheit mit Melanchthon ist es schwer verständlich, daß eine Mathesiuspostille während der kryptokalvinistischen Verfolgungen in Sachsen 1589 wegen angeblich antiphilippistischer Tendenzen, die von anderer Hand eingearbeitet waren, inkriminiert werden konnte.Im Unterschied zu seiner gewandten, in vieler Hinsicht von Luther beeinflußten deutschen Prosa in den Predigten erweisen sich die poetischen Werke M.s in deutscher und lat. Sprache als schwache Leistungen. Das betrifft gleichermaßen Gelegenheitsdichtungen wie Kirchenlieder, die nicht zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind (vgl. G. Loesche, II, S. 188-219, u. R. Wolkan, Gesch. d. dt. Litteratur in Böhmen bis z. Ausgange d. XVI. Jh., 1894).Die Förderung seines Erbes setzt sich die 1960 gegründete J.-M.-Gesellschaft zur Aufgabe, die zwei Periodika herausgibt und eine J.-M.-Medaille verleiht. Eine M.-Forschungsstelle als Abteilung des „Instituts für Reformations- und Kirchengeschichte der böhm. Länder“ befindet sich in Bad Rappenau. (NDB)