Title:
Die Capitanei von Locarno im Mittelalter, herausgegeben von den Familien von Muralt in Zürich und Bern und der Familie von Drelli in Zürich, bearbeitet von Karl Meyer
Book Details / Size:
4°, XVIII, 555 S. zahlr teilw. farb. Abb., Tafeln und Wappen. 8 beigeliegende Falttafeln m. den Stammbäumen der verschiedenen Zweige (Muralto, Orello u. Magoria)
Description:
Belegexemplar der Druckerei der Vorzugsausgabe. Der Titel der "Capitanei", den Adelsfamilien von Locarno führten, ist erstmals bezeugt in einer Urkunde (Marktprivileg) Ks. Friedrichs I. von 1164. Mit diesem Titel wurden eigentlich nur die unmittelbaren Vasallen des Königs belehnt; den Locarneser Adligen, die nur Valvassoren (Vasallen niederen Ranges) waren, soll er indes als besonderes Zugeständnis verliehen worden sein. Die C. waren wahrscheinlich Nachfahren der langobard. Edlen Da Besozzo aus der Grafschaft Seprio, denen der schismat. Bf. von Como, Landolfo da Carcano, um das Jahr 1000 das Locarnese zu Lehen gegeben haben soll. Den C. war die Verwaltung der Kirchengüter der Pieve anvertraut; sie verfügten über Immunität und Zwangsgewalt, waren aber nicht Eigentümer des Bodens, der, mit Ausnahme der Kirchen- und Königsgüter, den Dorfgenossenschaften (vicinie) gehörte. Ohne hoheitl. Gewalt war das polit. Gewicht der C. beschränkt; sie spielten jedoch im 13. und 14. Jh. im Zusammenhang mit den Kämpfen zwischen Guelfen und Ghibellinen und den Kriegen zwischen Como und Mailand eine beträchtl. Rolle. Die C., die sich vorwiegend in Ascona, Locarno und Muralto niedergelassen hatten, gehörten keiner Dorfgenossenschaft an; ihre Familien (Orelli, Rastelli, Rusconi, Magoria, Gnosca, Della Rocca, Muralto und Duni) bildeten eine politische, fiskalische und kommerzielle Körperschaft (università oder corporazione dei Nobili genannt), die von der übrigen Bevölkerung getrennt war. Ihre ökonom. Macht beruhte auf den Regalien, die sie im Gebiet der ganzen Pieve besassen (Wegzölle, Zehnten, Alp-, Weide-, Fisch-, Markt-, Jagd- und Mühlenrechte usw.) und auf dem Besitz zahlreicher Liegenschaften (Höfe, Felder, Wälder, Weiden, Alpweiden). Bis gegen Mitte des 16. Jh. übten die C. eine direkte Kontrolle über die Wahl der Vertreter der Dorfgenossenschaften im Generalrat der Pieve aus; später konnten sie nur mehr ihre eigenen Vertreter bestimmen. Im Verlauf der Jahrhunderte traten sie den Dorfgenossenschaften und v.a. der Bürgergemeinde von Locarno einen Teil ihrer Regalien ab. Nach 1342, mit der Besetzung des Locarnese durch die Visconti, nahm die polit. und wirtschaftl. Rolle der C. beträchtlich ab. Ihrer Korporation gelang es aber, viele Privilegien bis 1798 unverändert zu erhalten. 1803 wurde sie in die Bürgergemeinde integriert. - Karl Meyer (1885-1950) Luzerner Historiker und Mediävist.